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Mittelalter-Weihnachtsmarkt Durlach Ritterzelte c Nina Setzler-Karlsruhepuls
Fotos: Nina Setzler/Karlsruhepuls

Parallel-Welt: Mittelalter-Weihnachtsmarkt Durlach

Auf dem Schlossplatz gibt’s Bäder im Holzfass und Weissagung per WhatsApp

[Kommentar] Baden war im Mittelalter etwas Besonderes – entsprechend gefragt ist der große Zuber in Peters Badehaus, der zurzeit im Herzen Durlachs auf dem Schlossplatz dampft. Feierfreudige Ballsport-Mannschaften suchen diesen winterlichen Outdoor-Pool mit Anschluss an die Taverne gern auf, um sich mehrdimensional zu wärmen. Wer nicht mindestens ein Jahr im Voraus reserviert, hat keine Chance, hinter den Zeltplanen zu planschen. Die Frage, ob „demnächst“ noch was frei wäre, wird entsprechend milde von den Betreibern belächelt.

Rustikaler Ton am Outdoor-Pool
Wer es endlich ins Holzfass hineingeschafft hat, ist anspruchsvoll. Die Bademeisterin des mittelalterlichen Entspannungsverschlags hat einiges zu tun: „Bitte mehr warmes Wasser ins Bad und noch drei Glühwein!“, „Könnten Sie die Laterne anzünden? Und ein Foto von uns machen? Das beschlagene Handy trocknen Sie vorher vielleicht an Ihrem Wams ab.“ „An meinem was?!“, entgegnet die Angesprochene leicht gereizt. Wams ist offenbar keine korrekte Bezeichnung für ihre bärenfellartige Oberbekleidung …

Auch die Bogenschützen pflegen einen rustikalen Ton, wenn sie vor der Karlsburg das Abfeuern von Schusswaffen auf Scheiben demonstrieren. Energisch pfeifen sie eine Gruppe asiatischer Studierender zurück, die sich dem Spektakel nähert. „Pfeil im Auge macht sich nicht so gut an Weihnachten!“

Sieben Taler für Soulfood
Von großer Ausgeglichenheit hingegen scheint der Schupfnudel-Koch, der zuverlässig ein herzliches „Seyd gegrüßt“ über den Tresen flötet und „sieben Taler“ für seinen „Gaumenschmaus“ verlangt. Die Bubenspitzle mit Sauerkraut stärken für weitere Zeitreise-Begegnungen auf dem mittelalterlichen Weihnachtsmarkt in Durlach. Etwa am Stand mit den Mäusen, die durch kleine Tore laufen oder auf Glückssymbole springen sollen. Dabei werden sie von dutzenden Menschen beäugt, die offenbar einige Taler auf ihre nächsten Schritte gewettet haben – etwas ratlos schauen die Tierchen in die Menge zurück.

Neu im Lager-Leben ist Wahrsagerin Andrea Siebenstern, deren Dienste offenbar so nachgefragt sind, dass der Zugang zu ihrem Zelt immerfort verhängt ist, während Stimmen aus dem Innern dringen. „Sie können mich auch per WhatsApp kontaktieren!“, verrät die begehrte Beschickerin in einer Pause. Drei Fragen kosten 20 Euro, „das ganze Blatt“ 30 Euro – Vorhersagen mittels Tarotkarten sind ihr Gebiet. Dann muss sie weiter, denn sie ist auf dem mittelalterlichen Weihnachtsmarkt Durlach auch für den Programmpunkt „Märchenerzählen für Kinder“ (um 15 und 18 Uhr) zuständig.

Moderne Auszeit am Wasserklosett
Irgendwann hat man genug Holzkohle-Rauch aus den Feuerkörben in Nase, Haare und Kleidung eingesogen und ist dem Mann mit rotem Riesenhut, der für Einhorn-Ringwurf wirbt, wirklich einmal zu viel ausgewichen. Man braucht eine Auszeit von den Feuershow-Rezensionen zweier Langhaariger („genau dieselbe Musik wie letztes Jahr!!“), mag gerade keine Edelsteine, Räucherwerk oder Holzlöffel shoppen und hat sich obendrein über die winterlichen Preise der Schoko-Erdbeeren erschreckt. Erleichterung bringt die resolute Toilettenfrau in der Karlsburg. Sie kümmert sich um den reibungslosen Ablauf der Wasserklosetts – ein bisschen Komfort im rauen Mittelalter – und tauscht kleine Süßigkeiten gegen Trinkgeld!