Frauen mit dicken Jacken stehen am Straßenrand der Fautenbruchstraße in der Karlsruher Südstadt, gleich südlich des Hauptbahnhofs. Sobald sich ein Auto nähert, laufen sie darauf zu und winken. Auch in Durlach in der Ottostraße und in der Fiduciastraße (Foto oben) stehen sie und warten auf Kundschaft. Ab 22 Uhr ist auf dem Karlsruher Straßenstrich Betrieb. Nicht immer sind alle Beteiligten freiwillig dort. Menschenhändler sollen bis vor Kurzem mehrere Frauen mit Gewalt auf den Straßenstrich gezwungen haben. Wir haben recherchiert, welche Erkenntnisse es in diesem Fall gibt und wie Sozialarbeiterinnen helfen.
Polizei zerschlägt mutmaßliches Menschenhändler-Netzwerk
Die Kriminalpolizei Karlsruhe und ungarische Behörden ermitteln monatelang verdeckt, bis ihnen schließlich ein Erfolg gelingt: In einer Nacht Mitte Januar fassen sie sechs Männer und eine Frau in Rastatt, Karlsruhe und Ungarn und bringen sie in Untersuchungshaft.
Die sieben Personen sollen junge ungarische Frauen nach Deutschland gebracht und teils durch massive Gewalt zur Straßenprostitution gezwungen haben, heißt es in der Pressemitteilung des Polizeipräsidiums Karlsruhe und der Staatsanwaltschaft Karlsruhe.
Die Verdächtigen sind laut Polizei zwischen 18 und 48 Jahre alt und mutmaßlich Teil einer in Karlsruhe angesiedelten Gruppe von Menschenhändlern, die nun zerschlagen sein soll. Weitere Informationen teilen die Behörden nicht, da sie weiter ermitteln – unter anderem wegen schweren Menschenhandels und Zuhälterei.
Mehr als 200 Prostituierte leben in Karlsruhe
Täglich arbeiten etwa 200 bis 250 Prostituierte in Karlsruhe, erklärt Ralf Eisenlohr vom Polizeipräsidium Karlsruhe. Rund zehn Prozent von ihnen bieten ihre Dienste auf dem Straßenstrich an, die anderen sind in Bordellen, Hotels oder Privatwohnungen tätig. Die meisten Prostituierten sind Frauen, die Zahl der Männer liegt laut Polizei unter fünf Prozent.
Dass Prostitution in Deutschland häufig mit Menschenhandel verbunden ist, bestätigt Polizei-Pressesprecher Ralf Eisenlohr auf Nachfrage: “Menschenhandel ist Teil des Prostitutionsgeschehens in Deutschland insgesamt.” Diese Einschätzung teilt auch Ulrike Schulte von der Bürgerinitiative Durlach gegen Prostitution. Im Gespräch mit Karlsruhepuls weist sie nicht nur auf Menschenhändler und Zuhälter hin, denen Prostituierte oft wehrlos ausgesetzt sind. Die ehemalige Lehrerin zeigt auch generelle Probleme auf, die Frauen haben, wenn sie ihren Körper verkaufen.
Durlacher Bürgerinitiative gegen Prostitution
“Wenn Prostituierte 30 Mal pro Nacht penetriert werden, bleibt das nicht ohne körperliche Folgen”, sagt Ulrike Schulte. Manche der Frauen leiden dann unter Entzündungen, kämpfen mit Inkontinenz und sind anfällig für Geschlechtskrankheiten, so die Prostitutionsgegnerin.
Darüber hinaus tragen Ulrike Schulte zufolge manche Betroffene psychische Schäden davon, wenn sie, um mit den Schmerzen klarzukommen, ihren Körper nicht mehr wahrnehmen. Unter anderem aus diesen Gründen fordert die Durlacher Bürgerinitiative ein generelles Sexkaufverbot in Deutschland.
Sozialarbeiterinnen im Einsatz für Prostituierte
Um den Prostituierten zu helfen und sie über ihre Rechte aufzuklären, ist die Beratungsstelle Luise der Diakonie Karlsruhe aktiv. Die Karlsruher Sozialarbeiterinnen besuchen Straßenstrich und Bordelle, bieten Gespräche an und vermitteln medizinische Hilfe.
Bei seinen Besuchen auf dem Straßenstrich und in Bordellen begegnen dem Luise-Team immer wieder auch Opfer von Zuhälterei. “Wir haben in den vergangenen Jahren Fälle von Menschenhandel in unserer Arbeit erlebt”, so Tabea Böckle, Mitarbeiterin von Luise. Darum achten sie und ihre Kolleginnen während der Beratungen auf Warnsignale von Prostituierten. Doch sie wissen: Vertrauen aufzubauen ist nicht leicht, da viele Frauen im Milieu misstrauisch und vorsichtig sind.
Beratungsstellen und Ermittler arbeiten zusammen
Wenn die Sozialarbeitenden Anzeichen von Zwang erkennen, kontaktieren sie Fachberatungsstellen gegen Menschenhandel, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Auch mit der Kriminalpolizei stehen sie im Austausch. Das gemeinsame Ziel: Prostituierte aus Zwängen befreien und langfristig Strukturen schaffen, die Menschenhandel unmöglich machen.
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