Der Zoo Karlsruhe sorgt deutschlandweit für Schlagzeilen: Ein vier Monate altes Eisbär-Baby erkundet hier munter sein Außengehege! Von Tagesschau über Zeit Online bis hin zu Bild berichten sämtliche Medien über den tierischen Nachwuchs, Nutzer*innen der sozialen Netzwerke sind begeistert und beteiligen sich an der Namenssuche für das kleine Eisbär-Männchen. Doch nicht alle freuen sich über den flauschigen Nachwuchs: Viele Tierschützer kritisieren die Haltung von Eisbären in Zoos.
Die Tierrechtsorganisation Peta ist der Meinung, dass die Eisbärenhaltung in Zoos den Bedürfnissen der Tiere nicht gerecht wird. “Eisbären verfügen in der Natur über riesige Streifgebiete, die in keinem Zoo auch nur ansatzweise nachgebildet werden können”, so Yvonne Würz, Fachreferentin Zoo und Zirkus bei Peta. Die promovierte Biologin kritisiert außerdem, dass das Klima hierzulande nicht für die Eisbären geeignet sei.
Zoodirektor reagiert auf Peta: “Die Freiheit ist gnadenlos”
Der Karlsruher Zoodirektor Matthias Reinschmidt reagiert auf die Kritik gelassen, denn er sieht sich ebenfalls als Tierschützer. “Die Freiheit ist gnadenlos”, betont der promovierte Biologe. “Die Tiere haben in der Natur Hungerphasen, Durstphasen und Feinde.” Im Zoo dagegen seien die Eisbären gut versorgt, da sie weder Hunger noch Feinde kennen und tierärztlich betreut werden. “In der Natur laufen die nicht aus Spaß jeden Tag viele Kilometer weit, sondern weil sie Hunger haben”, erklärt Matthias Reinschmidt. “Es gibt auch in der Natur Eisbären, die an einem Ort bleiben, wenn sie da genügend zu fressen kriegen.”
Außerdem betont er, dass sich die Eisbärenhaltung in den vergangenen Jahren stark weiterentwickelt habe. “Man muss die Tiere beschäftigen”, erklärt Matthias Reinschmidt. Im Zoo Karlsruhe erhalten die Bären laut Pressesprecher Timo Deible ihr Futter oft eingefroren, um es sich zu erarbeiten. Oder ihnen werden Geruchsspuren ins Gehege gelegt, etwa aus dem Fell anderer Tiere. “Wir haben ein ganzes Repertoire an Beschäftigungsmöglichkeiten, die wir immer wieder abwechseln”, erzählt der Pressesprecher.
Karlsruher Eisbär meidet den Schnee
Ein großes Missverständnis ist laut Zoo-Chef Matthias Reinschmidt auch, dass Eisbären unbdingt Schnee brauchen. “Ein Eisbär liebt die Kälte nicht, er kann nur gut damit umgehen”, sagt er. “Wir hatten vergangenes Jahr vier Schnee-Tage. Währenddessen haben wir unseren Eisbär Kap kein einziges Mal draußen gesehen. Er ist lieber im warmen Stall geblieben!”
Wenn es im Karlsruher Sommer dagegen warm werde, störe es die Eisbären nicht. Matthias Reinschmidt zufolge gibt es Eisbären, die sich selbst bei 30 Grad in die pralle Sonne legen, andere kühlen sich im Pool ab und wieder andere entspannen einfach im Schatten: “Die machen das wie wir – wenn es zu heiß wird, kühlen sie sich ab.“
Mehr KSC-Zuschauer als Eisbären auf der Welt
Für Matthias Reinschmidt gibt es einen guten Grund, Eisbären in Zoos gezielt zu züchten: Weltweit gibt es in der Natur 20.000 bis 25.000 Tiere. “Das mag sich nach viel anhören, aber im KSC-Stadion halten sich bei einem Spiel über 30.000 Menschen auf”, sagt er. So wird die Zahl schon überschaubarer, vor allem, da sie auf ein riesiges Gebiet verteilt ist. Aus diesem Grund denkt Matthias Reinschmidt weiter: “Aktuell wildert niemand Eisbären aus – aber das kann noch kommen.” Darum sei es von Vorteil, Eisbären bereits jetzt zu züchten.
Peta findet Auswilderung von Eisbären unrealistisch
Solche Gedankenspiele kann Yvonne Würz von Peta nicht nachvollziehen. “In Gefangenschaft aufgewachsene Eisbären sind weder in der Lage, die komplexen Überlebensstrategien der Wildnis zu erlernen, noch sind sie geeignet, in ihrem natürlichen Habitat zu überleben”, erklärt sie.
Für Matthias Reinschmidt steht das hingegen noch nicht fest. Der Biologe gibt zu bedenken, dass früher auch niemand geglaubt hätte, dass Luchse ausgewildert werden könnten. Und heute sei man froh über die gezüchteten Luchse, da in Baden-Württemberg Luchse für die Auswilderung gesucht werden.
Klimawandel bedroht Lebensraum der Eisbären
Neben einer möglichen Auswilderung sieht Zoodirektor Matthias Reinschmidt einen weiteren positiven Aspekt in der Züchtung der Eisbären: Für ihn ist das Eisbärbaby ein Botschafter für den Klimawandel, da es überall geliebt wird und sehr gut ankommt. “Wenn wir wollen, dass es in 100 Jahren noch goldige kleine Eisbären gibt, müssen wir uns gegen den Klimawandel stemmen”, betont er. “Wenn wir nichts tun, schmilzt der Lebensraum der Eisbären weg. Wir haben es in der Hand.”
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