Auf dem Karlsruher Straßenstrich in der Fautenbruchstraße und in der Fiduciastraße steht seit heute niemand mehr. Denn ab sofort ist Straßenprostitution in Karlsruhe verboten – zumindest für die nächsten sechs Monate. Wie kam es zu diesem Verbot? Was passiert nun mit den Prostituierten, die hier gearbeitet haben? Und wieso sieht ausgerechnet eine diakonische Fachberatungsstelle das Verbot kritisch? Wir haben nachgeforscht.
Zum „Schutz vor erheblichen Gefahren“ kann eine Stadt die Prostitution einschränken, heißt es im Prostituiertenschutzgesetz aus dem Jahr 2017. Nachdem die Polizei im Januar sieben mutmaßliche Menschenhändler in Karlsruhe und Rastatt festgenommen hatte, sah die Stadt Karlsruhe diesen Fall gegeben. Deshalb erließ sie kürzlich eine Allgemeinverfügung, die ab dem 21. März 2025 für sechs Monate gilt.
Was passiert mit den Prostituierten?
Für die Polizei Karlsruhe ist es einem Pressesprecher zufolge denkbar, dass die betroffenen Frauen auf andere Formen der Prostitution in Karlsruhe ausweichen und beispielsweise in Bordellen oder in der Wohnungsprostitution weiterarbeiten. Stadtverwaltung und Polizei sind sich einig, dass dort die Gefahr des Menschenhandels geringer ist. Schließlich unterliegen diese Prostitutionsstätten besonderen Vorschriften und Überprüfungen, welche die Sicherheit der Prostituierten gewährleisten sollen – beispielsweise gibt es dort Notrufknöpfe.
Die Beratungsstelle Luise äußert sich in einer Pressemitteilung kritisch zur neuen Allgemeinverfügung: „Ein Verbot der Straßenprostitution verbessert die Lebenslagen unserer Klientinnen nicht“, heißt es dort. Denn: Wenn die vom Verbot betroffenen Frauen in andere Städte ausweichen oder in anderen Prostitutionsformen in Karlsruhe weiterarbeiten, sind sie für die Sozialarbeiterinnen schwieriger zu erreichen. Dadurch können sie den Prostituierten nicht von Angeboten zu medizinischer und therapeutischer Versorgung, Wohnraumsuche, Sprachkursen und alternativen Arbeitsmöglichkeiten erzählen. Und ohne diese Hilfen bleiben die Frauen möglicherweise weiterhin in schwierigen Lebens- und Arbeitsverhältnissen, weil sie keine Alternative zur Prostitution sehen.
Schwedischer Kriminalkommissar für Bestrafung der Freier
Der gute Kontakt von Behörden und sozialen Diensten zu den Prostituierten scheint also ein wesentliches Erfolgskriterium zu sein, um die Situation im Milieu sicherer zu machen. So sieht es auch Kriminalkommissar Simon Häggström, der die Prostitutionsabteilung der Stockholmer Polizei leitet. Als der Schwede vor wenigen Tagen in Karlsruhe-Durlach sein Buch Auf der Seite der Frauen vorstellt, sagt er: „Es ist wichtig, Vertrauen zu den Prostituierten aufzubauen“. So sei es möglich, dass Frauen gegen ihre Zuhälter aussagen und letztlich Menschenhändler gefasst werden können.
In Schweden ist der Kauf von sexuellen Dienstleistungen generell verboten. Bei einem Verstoß wird aber nicht die Person bestraft, die sexuelle Dienstleistungen erbringt. Die Täter sind in Schweden die Freier, die mit dem Sexkauf Menschenhandel in der Prostitution ermöglichen. Dieses System ist als „Nordisches Modell“ bekannt. „Die schwedische Polizei ist dazu da, den Frauen zu helfen, und nicht, um sie zu verurteilen“, erklärt Kriminalkommissar Häggström.
Karlsruhe: Prostituierten droht Bußgeld ab 250 Euro
In Deutschland ist die Rechtslage anders, hier werden die Prostituierten als Täterinnen gesehen. In Karlsruhe müssen sie bei einem Verstoß gegen die Allgemeinverfügung mit einer Strafzahlung von mindestens 250 Euro rechnen. Da Prostitution bundesweit grundsätzlich legal ist, können Freier bei einer Zuwiderhandlung gegen das Straßenstrich-Verbot in Karlsruhe nicht belangt werden, teilt die Stadtverwaltung mit. Darum werden Polizei und Kommunaler Ordnungsdienst nur gegen Prostituierte vorgehen, die trotz Verbots ihre Dienste auf der Straße anbieten. „Der Freier begeht keinen zu ahndenden Verstoß“, stellt Pressesprecher Franz Henke vom Polizeipräsidium Karlsruhe klar.
Für die Bürgerinitiative Durlach gegen Prostitution ist das nicht in Ordnung. Die Gruppierung befürwortet zwar das Verbot der Straßenprostitution, setzt sich aber für das Nordische Modell ein. Aus diesem Grund schreibt Barbara Bauer, Sprecherin der Bürgerinitiative, in einer Pressemitteilung zum Karlsruher Verbot: „Leider werden wieder nur die Frauen mit einem Zwangsgeld bedroht, nicht die Männer, die ja die Verursacher der Prostitution sind.“
Straßenstrich-Verbot gilt zunächst für sechs Monate
Wie es mit dem Verbot der Straßenprostitution in Karlsruhe nach dem Ende der Allgemeinverfügung weitergeht, ist aktuell unklar. „Das Verbot wurde zunächst auf sechs Monate beschränkt, um die Reaktion der entsprechenden Gruppierungen zu beobachten“, erklärt Paula Liebig vom Presse- und Informationsamt. Ob das Verbot danach verlängert wird, entscheidet die Stadt Karlsruhe in den nächsten Monaten.
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