Tod, Beerdigungen und Trauer sind Themen, über die man ungern spricht. Nicht so Julia Reiche. Die Karlsruherin ist freie Trauerrednerin ‒ für sie ein absoluter Traumberuf! In ihrer Arbeit möchte sie mit althergebrachten Traditionen brechen und persönliche Abschiedszeremonien schaffen, die einen dunklen Tag etwas heller machen.
Relativ unbekanntes Berufsbild
Viele Menschen ist gar nicht klar, welche Gestaltungsmöglichkeiten eine Trauerfeier bietet, weiß Julia. Oft kommt die Frage auf, ob eine Beerdigung ohne Pfarrer überhaupt möglich ist. Dabei werden heute nur noch 48 Prozent der Bestattungen auf christlichen Friedhöfen von Geistlichen begleitet. „Als freie Trauerrednerin stehe ich vorne in der Kapelle, halte die Trauerrede und gehe danach mit zum Grab. Falls es gewünscht ist, spreche ich auch ein Gebet“, erklärt Julia.
Ursprünglich hat sie Sprachwissenschaft und Geschichte auf Lehramt studiert und an einer beruflichen Schule in Karlsruhe gearbeitet. Von dort wechselte sie in die freie Wirtschaft und trainierte Teams großer Unternehmen im Lernen mit digitalen Medien. Vergangenes Jahr fragte sich die 37-Jährige dann: „Ist da etwas, was ich noch machen will? Etwas in mir, das raus will?“ Weil sie sich durch private Verluste bereits mit dem Thema Beerdigung, Trauer und Abschiednehmen auseinandersetzen musste, informierte sie sich über die Ausbildung zur Bestatterin und stieß dabei auf den Beruf der Trauerrednerin. „Das hat etwas in mir zum Klingen gebracht“, erzählt die Pädagogin. Sie ließ sich daraufhin von einem erfahrenen Redner-Team in Heidelberg ausbilden, legte eine IHK-Prüfung ab und machte sich als freie Trauerrednerin selbstständig.
Rituale helfen beim Abschiednehmen
Kleine Rituale können beim Abschiednehmen helfen, zum Beispiel rote Wollfäden, in die jeder Trauergast einen Knoten macht, wenn ihm eine schöne Erinnerung an den Verstorbenen einfällt. Diese Fäden können später mit ins Grab gelegt werden. Oder aber die Gäste erhalten eine Tüte mit Keksen, die nach dem Lieblingsrezept der Verstorbenen gebacken wurden. „Neulich hatte ich eine Trauerfeier mit dem Thema Sternenhimmel. Da hat am Ende jeder Gast einen funkelnden Glasstein als Erinnerung mit nach Hause nehmen können“, so die Trauerrednerin.
Weil sie selbst schon auf Beerdigungen zu Gast war, die sie als unpersönlich empfand und die ihr keinen Trost gespendet haben, möchte Julia das nun anders machen. Es muss nicht immer steif und leise zugehen und es muss nicht zwingend Schwarz getragen werden, findet sie. Es darf geweint und auch gelacht werden! „Wenn man an einen geliebten Menschen denkt, erinnert man sich schließlich vor allem an die schönen Dinge!“
Um das Tabu zu brechen, mit dem das Thema Tod und Beerdigungen belegt ist, bietet Julia auch eine Trauerfeier-Vorsorge an. Dabei können Menschen zu Lebzeiten festlegen, was sie sich für ihre Abschiedsfeier wünschen und wie sie bestattet werden möchten. „Dadurch beschwört man ja nicht den Tod herbei, sondern macht es den Angehörigen ein Stück leichter, wenn der Moment da ist.“
Fokus auf die schönen Erinnerungen
Als Trauerrednerin hält Julia die Fäden der Zeremonie in der Hand. „Ich sorge dafür, dass alles reibungslos abläuft. Für Angehörige ist es in dieser Ausnahmesituation hilfreich, wenn eine emotional unbeteiligte Person alles koordiniert.“ Dennoch kann es während einer Rede passieren, dass auch ihr die Tränen kommen. Dafür hat sie verschiedene Techniken gelernt, um schnell ihre Fassung wiederzufinden. „Man kann etwa Einkaufslisten durchgehen oder Telefonnummern rückwärts sagen. Ich habe außerdem ein lustiges Bild von einem Meerschweinchen in meiner Mappe.“
Neue Bekanntschaften sind oft überrascht, dass eine junge Frau sich diesen Beruf ausgesucht hat. „Müsstest du in deinem Alter nicht lebensfroher sein? Bist du dann immer traurig?“ wird sie dann oft gefragt. „Dabei merke ich, dass mich die Auseinandersetzung mit dem Thema Tod und Abschied erst recht dankbar und zufrieden macht“, erklärt Julia. Natürlich fühle sie mit den Angehörigen mit und wird auch mal von ihren Emotionen überwältigt, wenn sie von einem Gespräch nach Hause fährt oder an der Trauerrede schreibt. „Aber ich gestalte die Feiern mit einem Fokus auf die schönen Dinge, die von den Menschen bleiben. Wenn ich den Hinterbliebenen eine schöne Abschiedsfeier ermöglichen kann, ist das doch ein positiver Aspekt meiner Arbeit.“
2 Kommentare Trauerrednerin: ein wenig Licht in dunklen Stunden