Ziemlich allein steht Oberbürgermeister Dr. Frank Mentrup an einem Samstagmorgen auf dem Elsässer Platz in Knielingen. Er wartet auf Menschen, die vom Obst- und Gemüse-Einkauf an den Marktständen an ihm vorbeikommen. „Da drüben sind die anderen“, sagt er und deutet auf Helfer an einem Infostand, der hinter einem Lkw nicht gleich zu sehen ist.
Kandidat von SPD und Grünen
Mentrup trägt eine Maske mit Farbe und Parteisymbol der Grünen, die auch den Stand organisiert haben – er ist der gemeinsame Kandidat von SPD (seiner politischen Heimat) und Grünen. „Ich bin ein grüner Sozialdemokrat“, sagt Mentrup über sich selbst.
Es ist ein undankbarer Corona-Wahlkampf, den der 56-Jährige führen muss: Wie alle Kandidierenden für das Amt des Karlsruher Oberbürgermeisters hat er mit der Pandemie zu kämpfen. Sie verhindert viele Formate, die ihm liegen: Veranstaltungen vor einem Publikum, das unmittelbar reagiert. Oder direkte Gespräche mit Personen. Sogar auf dem Markt gelingen unter diesen Umständen nur wenige kurze Dialoge mit Passanten.
Eigene Visionen kommen zu kurz
Was den amtierenden OB außerdem gewaltig nervt: Bei den wenigen Podiumsdiskussionen, die stattfanden und gestreamt wurden, sprach er meist als Letzter und musste sich gegen die manchmal allzu bemüht wirkenden Angriffe seiner Konkurrenz verteidigen. Zum Darlegen eigener Visionen reichte dann oft die Zeit nicht mehr.
Angesichts dieser „Fünf gegen Einen“-Konstellation konnte der OB selten erklären, dass seiner Meinung nach die Stadtwerke in den kommenden acht Jahren 100 Prozent Ökostrom produzieren sollen. Und dass in zehn Jahren doppelt so viele Leute Straßenbahnen und Busse nutzen müssten. Im sozialen Bereich stehen Ausbau und Qualität von Kitas und Schulen im Fokus.
Modellversuch für bedingungsloses Grundeinkommen
Mit Blick auf die Großprojekte, die Karlsruhes Haushalt neben der Pandemie in Schieflage gebracht haben, möchte der Kandidat künftig Sanierungen Vorrang geben. Stärker als bisher soll die Stadt Grundstücke für neuen Wohnraum aufkaufen und am Klinikum sollen mehr Menschen in der Pflege ausgebildet werden. Zudem will Mentrup einen dreijährigen Modellversuch für bedingungsloses Grundeinkommen durchführen lassen!
Seine Mitbewerberinnen und Mitbewerber werfen ihm vor, die Finanzen der Stadt nicht in den Griff zu bekommen. Doch Mentrup, der seit 2013 im Amt ist, betont: Sieben Jahre lang habe man Schulden der Stadt abgetragen. Natürlich weiß er, dass die kommenden Jahre anders werden. „Ab 2022 müssen wir den Gürtel brutal enger schnallen“, kündigt der Amtsinhaber an. „Machen wir nur die Hälfte der Schulden, die wir einplanen müssen, wird es trotzdem Einschnitte geben.“
Verschuldung der Stadt steigt
Über 100 Millionen Euro könnte das Defizit im kommenden Jahr betragen. Diese Entwicklung trifft viele Städte in Baden-Württemberg gerade genauso. Kritikern, die in der Stadtverwaltung ein miserables Arbeitsklima bemängeln, hält der Chef eine Mitarbeiter-Umfrage entgegen, die zum dritten Mal in Folge besser als die vorige ausgefallen sei.
Der gebürtige Mannheimer hat in der Quadratestadt Abitur gemacht, Medizin studiert und seit 1993 als Arzt in der Kinder- und Jugendpsychiatrie gearbeitet. Er ist verheiratet und hat vier Kinder. Zwischen 1994 und 2007 war Dr. Mentrup Stadtrat in Mannheim, von 2006 bis 2013 dann Landtagsabgeordneter – die letzten beiden Jahre als Staatssekretär im Kultusministerium. Dieses Ministerium gilt als das „schwierigste“ in Baden-Württemberg, weil es hier so viele Kultusministerinnen und Kultusminister wie Einwohner gibt.
Causa Spuhler geklärt
In Karlsruhe war für den amtierenden Oberbürgermeister zuletzt das Staatstheater ein leidiges Thema. Dem Vorwurf, Intendant Peter Spuhler nicht schon längst gekündigt zu haben, begegnete er Mitte November noch mit dem Verweis auf seine Arbeitsweise: Man könne niemanden aufgrund von Mitarbeiter-Äußerungen entlassen, sondern müsse erst sorgfältig prüfen. Die Prüfung war dann am 18. November schneller als erwartet fertig, der Intendant muss gehen. Um rechtzeitig vor der OB-Wahl das erwartete Signal zu senden?
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