Die Corona-Zwangspause fällt allen schwer, doch die Gastronomie in Karlsruhe leidet besonders. Während Friseure und andere seit heute wieder öffnen dürfen, muss sie weiter geschlossen bleiben. Seit fast vier Monaten, was besonders bitter ist, weil viele InhaberInnen neben Hygienekonzepten auch Luftfilter oder Zelte für die Außenbewirtung angeschafft haben. Mit welchen Angeboten, Konzepten und Ideen sie durch die Krise kommen, haben wir einige von ihnen gefragt.
In den Köpfen der Leute bleiben
Deborah Löllgen bietet im The Bee’s Knees kalte und warme Küche zum Abholen an. Es gibt levantinische Salate, vegane Speisen und hausgemachtes Brot, die per Mail oder vor Ort bestellt werden können. Einige Monate lang war das Café geschlossen, den Januar hat Deborah zum Umbauen genutzt. Dann wollte sie endlich wieder kochen: „Auch wenn sich das Öffnen wirtschaftlich nicht rechnet – ich möchte in den Köpfen der Leute bleiben!“, sagt sie.
Da sie die Gastronomie in Karlsruhe erst seit letztem Jahr bereichert, kennen noch nicht allzu viele Menschen ihren Laden. Die Neu-Gastronomin möchte nun Rezepte ausprobieren, für ihre Kunden da sein und sehen, wie das Pfandsystem „Hol & Go“ ankommt. Dabei bringt man gegen fünf Prozent Rabatt eine eigene Dose für das Essen mit oder leiht einen Behälter aus BPA-freiem Kunststoff oder Glas aus.
Mittlerweile ist The Bee’s Knees zum Einfraubetrieb geschrumpft, das Meiste macht die Chefin selbst: einkaufen, kochen, Marketing auf Social Media. Letzteres ist für Deborah ein Kinderspiel, weil sie früher in diesem Bereich gearbeitet hat.
Dass sie kaum finanzielle Ausgleichszahlungen vom Bund erhält, weil sie nach dem 30. April 2020 eröffnet hat, trifft sie dagegen hart. „Ich verstehe nicht, wieso junge Unternehmen durchs Raster fallen. Wir kämpfen ja genauso, um unser Startinvestment reinzuholen – und können zudem noch nicht auf Stammgäste und große Bekanntheit zählen.“
Live kochen auf Social Media
Bei Ingo Zimmermann und seinem Wirtshaus Holzhacker fließen die staatlichen Hilfen, weil er lange genug am Markt ist. Dennoch muss er spürbare Einbußen hinnehmen, weil nicht nur sein Veranstaltungssaal verwaist ist, in dem sonst Familienfeiern und Tagungen stattfinden. Von Mittwoch bis Sonntag verkauft er derzeit seine badischen Gerichte zum Abholen oder Liefern lassen, sodass sein Restaurant zumindest kostendeckend läuft.
„Durch den Lieferservice haben wir eine weite Streuung, nur Abholung würde finanziell nicht ausreichen“, sagt Ingo. Im ersten Lockdown hat er mit seinem Team besprochen, dass keiner in Kurzarbeit will, also hieß es: „Wir ziehen das durch!“
Wenn die Gastronomie in Karlsruhe nicht gerade mit Corona zu kämpfen hat, bleibt der Holzhacker im Februar geschlossen, da wegen Karneval nicht viel los ist. Dieses Jahr ist es genau andersrum: Ingo geht mit Live-Koch-Events neue Wege. Er liefert Rohstoffe küchenfertig und vakuumiert nach Hause, dann kocht er sie gemeinsam mit den Kunden auf Social Media fertig.
Dabei sind auch schon spannende Kooperationen mit anderen Gastronomie-Betrieben aus Karlsruhe entstanden: Zum Beispiel wurden den Lieferungen am Valentinstag kleine Cake-Pops als Geschenk beigelegt. „Das ist das Positive an Corona: Wir Gastronomen vernetzen uns!“, erklärt Berufsoptimist Ingo.
Das Licht bleibt aus im Lockdown
Kontakte knüpfen und erhalten ist auch das Motto von Silke Kolb. Ihr Carls Wirtshaus ist im Lockdown komplett geschlossen. „Wir machen jetzt den Pausenclown für unsere Mitarbeiter, die sind alle ein bisschen eingerostet. Ich überlege schon, ob ich sie auf den Trimm-dich-Pfad einbestellen soll“, sagt Silke lachend und fährt dann ernster fort: „Wir gucken natürlich, wie es jedem geht. Die Pause setzt allen zu, wir arbeiten nicht ohne Grund in der Gastro, sondern weil wir gesellige Menschen sind.“
Homeoffice als Problem für Gastronomie in Karlsruhe
Die 50 Mitarbeitenden ihres Wirtshauses mussten Silke und ihr Mann Andreas Frey zum Teil in Kurzarbeit schicken. „Die Aushilfen mussten sich andere Jobs suchen und räumen jetzt Regale ein oder machen Sicherheitsdienst“, so die Gastronomin.
Ihr großes Lokal aufzusperren wäre im Lockdown unwirtschaftlich. „Die vielen Büros in der Nachbarschaft sind fast leer, weil alle im Homeoffice arbeiten. Da haben wir kein Potenzial, etwas zu verkaufen. Auf Lieferdienste möchten wir wegen der hohen Provisionen nicht zurückgreifen.“
Silke klingt trotz aller Umstände optimistisch, allerdings macht die Unsicherheit in der Planung sie auch mürbe, gesteht sie. „Bisher waren wir zuversichtlich, dass wir Mitte März wieder öffnen können. Aber das ist jetzt nicht mehr sicher. Mir tun auch die Kollegen leid, die für viel Geld ihren Außenbereich aufgemöbelt haben.“
Ohne langjährige Erfahrung in der Gastronomie in Karlsruhe und entsprechende Rücklagen könnten sie und ihr Mann die Situation nicht meistern, glaubt Silke Kolb. „Aus der Vergangenheit wissen wir, dass man immer etwas zurücklegen muss. Wenn zum Beispiel ein Gerät kaputtgeht, dann in der Regel das teuerste! Die staatliche Hilfe ist natürlich gut, aber sie kommt sehr schleppend.“
Novemberhilfe kam im Februar an
Das erleben auch Daniel Kretz und David Specht von My Heart Beats Vegan, deren Novemberhilfe erst im Februar ankam. „Dabei steht ja schon die Miete für März an. Wir möchten uns nicht beklagen, denn es ist richtig und wichtig, dass bei den Zahlungen genau geprüft wird, um Missbrauch zu vermeiden. Aber die Luft für die Gastronomie in Karlsruhe (und auch für andere Branchen) wird von Tag zu Tag dünner“, sagen die Geschäftsführer.
Um ihren Betrieb aufrecht zu erhalten, behelfen sie sich vorübergehend mit Krediten. Und hoffen, dass sie bald wieder in vollem Umfang für ihre Gäste da sein dürfen. „Momentan bieten wir von Freitag bis Sonntag eine kompakte Take-away-Karte an, um die Betriebskosten niedrig zu halten. Das wird dankbar angenommen, viele unserer Stammgäste kommen schon seit Jahren zu uns – manche jede Woche“, zeigen sich Daniel und David dankbar.
Startklar bleiben, trotz hoher Einbußen
Sie halten alle Mitarbeitenden, um schnell startklar zu sein, wenn es wieder richtig losgeht. Allerdings müssen sie heftige Einbußen verschmerzen, weil neben dem Restaurant-Betrieb auch Event-Catering und Firmen-Feiern wegfallen. „Dazu steht der momentane Umsatz natürlich in keinem Verhältnis. Aber wir sind hoch motiviert und ausdauernd. Und unsere lieben Stammgäste halten uns auch jetzt die Treue, das ist ein großer Motivationsschub.“
Abstellkammer für To-go-Verpackungen
Ähnlich warmherzig spricht auch Denise Bender von der Kundschaft ihres Gasthaus Gutenberg. Da ist etwa dieser ältere Mann, der die App für das Mehrwegsystem heruntergeladen hat, in dem sie seit Beginn des Lockdowns ihr Essen ausliefert. „Er ruft immer an, wenn er Hilfe mit der Technik braucht und bestellt auch öfter mal etwas. Das ist mega“, findet Denise Bender. „Diese Momente kann dir niemand nehmen, stell dir vor, die hätten wir nicht mehr! Deshalb möchten wir die Verbindung zu unseren Gästen halten – sie sollen sich darauf freuen, wenn wir wieder aufmachen!“
Das tun sie offenbar, denn Denise Bender muss ständig Vytal-Verpackungen für ihre Essenslieferungen nachbestellen. „Hier sieht‘s schon nicht mehr wie in einem Lokal aus, sondern wie in einer Abstellkammer“, sagt Denise. Ihr Gasthaus Gutenberg hat die ganze Woche geöffnet, es gibt verschiedene „To-go-Karten“, die Gerichte werden auf Wunsch mit dem Fahrrad geliefert.
Das übernimmt dann im Wechsel einer von Denises Service-Mitarbeitern, ihre Küche arbeitet in vollem Betrieb. Die Chefin versucht auch in der Krise alle einzubinden. „Sie können ja nichts für den Lockdown und das bewahrt sie vor dem Wahnsinn, denn jeder von ihnen trägt ja auch ein Päckchen wie zum Beispiel Homeschooling mit sich“.
Mit ihrer 21-jährigen Gastro-Erfahrung kann Denise über die Staatshilfen nur lächeln: „Das ist einfach gruselig“, sagt sie. „Es fühlt sich an, als würde mir ein hochgiftiger Skorpion eine kleine Dose Gift spritzen und testen, wie lange ich überlebe“.
Marktstände, Konserven und Möbel!
Dass der Lockdown hart ist, lässt auch Sören Anders durchklingen. Dennoch hat er auf den Social Media-Accounts von Anders auf dem Turmberg den motivierenden Hashtag #immerweiter etabliert, baut neuerdings Marktstände in Durlach und auf dem Gutenbergplatz auf. Dort verkauft er Konserven mit Semmelknödeln, Ragout und vielen weiteren Leckereien aus seiner neuen Produktionsküche.
Gläser mit Gerichten zum Aufwärmen gibt es auch vom Lokal Hubraum in Durlach. Zusätzlich zu Currywurst, Schwarzwurzelsuppe und Co. bietet der handwerklich versierte Gastwirt Peter Joas außerdem Möbelstücke an, zum Beispiel Regale und Nachttische!
Während Corona ‚out of the box‘ denken
Dass man die Zeit der Schließung nutzen kann, um Neues auszuprobieren, hat Tatjana Hagen Figueroa von der Bar Mapa ebenfalls erkannt. „Man muss während Corona ‚out of the box‘ denken”, sagt sie. „Dadurch haben wir jetzt einiges dazugewonnen, etwa den Online-Shop. Den hätten wir sonst wohl nie gestartet.“
Tatjana und ihr Team verschicken nun hausgemachte Tacos samt Füllung vakuumverpackt durch ganz Deutschland. „Die werden im ökologischen Kühlsystem von UPS ausgeliefert und in wenigen Minuten zu Hause fertiggemacht. Es ist cool, zu meinem Bruder in München zu sagen: ‚Komm, ich schicke dir Tacos!“.
Das Mapa-Team geht seit neuestem auf dem Werderplatz mit einem Marktstand unter die Leute, zudem liefert es an den Wochenenden südamerikanische Cocktails aus. „Der Krisenbetrieb läuft schlechter als im ersten Lockdown, weil draußen kein Alkohol mehr getrunken werden darf. Und bis vor Kurzem gab es eine Ausgangssperre nach 20 Uhr. Das trifft eine Bar besonders hart“, sagt Tatjana. „Vor Weihnachten hätte ich jedes Mal heulen können, wenn ich gesehen habe, dass der Einzelhandel offen hat und ich geschlossen haben muss“.
Aber auch sie weiß: Jammern hilft nicht. Um ihre Angestellten – viele Studenten oder Menschen aus dem Ausland – weiter beschäftigen zu können, hat sie die Wände der Bar frisch anstreichen lassen, neue Fotos gemacht und Bartender-Schulungen organisiert.
„Wir möchten ja auch unseren Gästen gegenüber loyal sein und ihnen im Lockdown das Mapa-Feeling für daheim geben. In der Hoffnung, dass sie uns die Bude einrennen, wenn es wieder möglich ist“, verrät Tatjana lachend.
1 Kommentar zu 1 Gastronomie in Karlsruhe: Trotz Lockdown immer weiter!