Wer in den vergangenen Jahren in Karlsruhe standesamtlich geheiratet hat, könnte aktuell „seinen“ Standesbeamten auf vielen Plakaten in der Stadt wiedererkennen. Marc Nehlig, 26 Jahre alt, Verwaltungswirt bei der Stadt Karlsruhe, traut im Hauptberuf etwa 140 Paare jährlich und kandidiert nun bei der Oberbürgermeisterwahl 6. Dezember.
Unzufrieden mit Status quo
Seine Motivation ist brisant: Er ist unzufrieden mit dem, der aktuell sein Chef ist, mit Amtsinhaber Dr. Frank Mentrup. Marc Nehlig kritisiert die Atmosphäre in der Verwaltung und fordert mehr Kommunikation und einen intensiveren Austausch zwischen Verwaltungsspitze und Belegschaft ein. Wichtige Beschwerden und gute Vorschläge müsse ein OB anhören.
Dem Standesbeamten ist aber gleichzeitig klar, dass er mit dem Thema keine breite Bevölkerung bei einer Oberbürgermeisterwahl erreichen kann. Deshalb hat er in seinen politischen Leitlinien und Zielen weitere Schwerpunkte gesucht. Dazu gehört unter anderem die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum. „Das Thema hatte ich gar nicht auf dem Schirm, weil ich selbst damit noch nie ein Problem hatte und in Karlsruhe eine günstige Wohnung gefunden habe“, erzählt der begeisterte Sänger und Amateurschauspieler. In Gesprächen mit vielen Bürgerinnen und Bürgern stellte sich aber ein Lerneffekt bei ihm ein: Eine günstige Wohnung finden – das ist hier eher die Ausnahme als die Regel.
Wohnen im Rheinhafen
Man müsste die Immobilien-Eigentümer in Karlsruhe dazu bringen, leer stehende Wohnungen wieder zu vermieten, findet der Kandidat. Auch leer stehende Büroflächen sollten verstärkt umgewandelt werden. Früher oder später müsse aber auch neu gebaut werden. Gleichzeitig sollen in der Innenstadt aber keine Flächen mehr nachverdichtet werden, um grüne Innenhöfe zu erhalten. Im Industriegebiet Rheinhafen kann er sich ein neues Wohngebiet vorstellen, dem er den Arbeitstitel „Green Living“ gegeben hat.
In Sachen Verkehr und Mobilität will er das Auto mit Blick auf den zäh fließenden Verkehr in der Innenstadt nicht verbieten. Vielmehr gehe es darum, Anreize zu geben, damit möglichst viele das Auto nicht mehr benutzen, schlägt Marc Nehlig vor. Für Privatfahrten in die City könne er sich auch eine Maut vorstellen.
Keiner schmunzelt mehr
Dass sich der gebürtige Pfälzer nun hundertfach auf Plakaten selbst anschauen kann, wenn er durch die Stadt läuft und radelt, ist für ihn ein Stück weit „surreal“. Im engen Familien- und Freundeskreis sei seine Kandidatur aber gut angekommen, erzählt er vor dem Haus Solms stehend. Das ist einer der Orte, an denen in Karlsruhe oft geheiratet wird.
Seine weitläufigeren Bekannten hätten allerdings geschmunzelt, als sie von seiner Kandidatur erfuhren, erinnert sich Nehlig. „Nach ein paar Podiumsdiskussionen haben sie das aber nicht mehr gemacht.“ Der Standesbeamte kann sich schon von Berufs wegen gut ausdrücken und läuft nicht Gefahr, durch eine Diskussion zu stolpern.
Noch dazu ist der Mittzwanziger als Sänger einer Coverband bühnenerprobt. Seine Entertainer-Fähigkeiten sind in einem Facebook-Clip zu bestaunen, wo er auf einem Konzert des Musikvereins Hatzenbühl den Beatles-Hit „Hey Jude“ singt. Der Mann rockt das Festzelt! Egal, welches Ergebnis die Wahl am Sonntag bringt – enttäuscht werde er nicht sein, sagt Marc Nehlig. „Ich bin in der letzten Zeit auf so viele offene Ohren gestoßen“, verrät er. Das sei der eigentliche Erfolg. Für ihn ist klar, dass es aufgrund des limitierten Mitteleinsatzes schwierig wird, zu gewinnen. „Ich bin aber guter Hoffnung, dass ich nicht auf dem letzten Platz lande!“
1 Kommentar zu 1 Notfalls kann er auch ein Festzelt rocken